Wem muss ich noch etwas beweisen?
Als der Musikproduzent Jack White kürzlich 75 Jahre alt wurde, kündigte er an, in den Ruhestand gehen zu wollen. Er begründete diesen Schritt damit, dass er „niemandem mehr etwas beweisen muss“. Auch sich selbst nicht.
Diese Weisheit ging mir gestern durch den Kopf, als ich auf einer für mich eher beschwerlichen Jogging-Runde war. Ich fragte mich, warum ich immer noch so ehrgeizig dem Ziel entgegen hasten müsse, wo ich doch eigentlich auch niemandem mehr etwas beweisen muss. Weder mir noch jemand anderem.
Während ich so weiter lief, fiel mir das ältere Paar ein, das ich vor einigen Wochen während einer gemeinsamen Zugfahrt kennen lernte. Offenbar waren die beiden schon ewig zusammen und kannten einander bestens. Einen großen Teil dieser Fahrt stritten die beiden darüber, wer in der Nacht vor der Reise wie oft zur Toilette hat gehen müssen und sie bezichtigten einander dabei des vorsätzlichen Betrugs und der Lüge, weil sie die Angaben des jeweils anderen anzweifelten. Die beiden hatten sich augen- und ohrenscheinlich noch etwas zu beweisen. Von Weisheit keine Spur.
Da Jack White und das ältere Paar in etwa gleichen Alters sein müssten, ist die Konklusion aus diesen Begebenheiten dann wohl eher nicht gegeben: Dass mit dem Alter auch Weisheit einhergeht. Vielleicht tut White ja auch nur so weise und man hat ihm den Zugang zu seinem Studio insgeheim untersagt. Und vielleicht ist das ältere Ehepaar ja viel weiser, als ich es angenommen hatte, denn schließlich sind sie immer noch beisammen und ein Paar.
Für mich und mein Laufen hatte dies indes keinerlei gewinnbringende Erkenntnis. Am ehesten vielleicht noch diese: Sollte ich zu so viel Weisheit gelangen, dass ich bis zum Alter von 75 Jahren noch Joggen kann und mag, dann – so viel steht fest – brauche ich wirklich niemandem mehr etwas zu beweisen. Schon gar nicht mir selbst.