Gefahr im Anzug
Als die Laborantin laut und vernehmlich „Jeanine“ rief, war mir klar, dass das nichts Gutes für mich bedeuten würde und dass Gefahr im Anzug war. Schließlich hatten sich kurz zuvor besagte Laborantin und die Sprechstundenhilfe des von mir konsultierten Facharztes darauf verständigt, dass die Auszubildende Jeanine heute doch unbedingt und endlich das erste Mal eine Blutabnahme bei einem Patienten durchführen solle; sofern, ja sofern jemand – leichtsinnigerweise – auftauche, der über „gute Venen“ verfüge.
Da ich weiß, was „gute Venen“ bedeutete, wähnte mich sogleich in eben jener eingangs erwähnten Gefahr, denn als ich dann im Labor meinen Arm freimachte, schien sich die Laborantin zu freuen. Dies brachte sie mit dem Ruf nach „Jeanine“ zum Ausdruck, worauf hin die Auszubildende auch bald schon bei uns erschien.
Jeanine prüfte zunächst vorsichtig bis akribisch meinen Arm, um dann nicht minder mutig bis beherzt ans Werk zu gehen. Leider ohne entsprechenden Erfolg: Die Spritze wollte sich partout nicht mit dem roten Lebenssaft füllen, egal, was sie auch machte. Nach einigen vergeblichen Versuchen richtete schließlich die Laborantin das sich abzeichnende Desaster, was mir rückblickend vermutlich das Leben rettete.
Zurück blieb ein lädierter Patient und eine desillusionierte Auszubildende, die ich dann auch noch zu trösten versuchte: „Das war doch für den ersten Versuch gar nicht schlecht.“ Und während sie mich leicht schief anlächelte, dachte ich mir, wäre unser Unterfangen eine Taxifahrt zum Bahnhof gewesen, wären wir dort nie angekommen. Vermutlich hätten wir den Taxistand nicht einmal verlassen.
Das allerdings wäre ungleich ungefährlicher gewesen…
(Anm.: Der Name der Auszubildenden wurde selbstverständlich geändert.)