Das L-Wort
Der Urlaub steht unmittelbar vor der Tür. Und damit tritt dann endlich auch wieder ein Zustand ein, an dem es mir während des übrigen Jahres immer mangelt: Das Luxusgefühl „Langeweile“. Ob Ihr das glaubt oder nicht – ich freue mich drauf! Doch bevor ich mich genüsslich langweilen kann, ist noch manches zu tun, der letzte Tag vor der Abreise hat es bekanntlich in sich: Der Koffer muss gepackt, die Schuhe, die mit müssen, dafür geputzt werden, die Wohnung wird aufgeräumt, Altpapier und Müll, sowie der Blumenstrauß auf dem Esszimmertisch entsorgt werden, obwohl der eigentlich noch wirklich OK war.
Dann rein ins Auto und die letzten Besorgungen machen, zur Bank (gut, dass man meist kein Geld mehr in fremde Währungen tauschen muss, an die man sich erst umständlich gewöhnen muss!) und dann noch schnell zum Freund, der mir einst ein Buch lieh, ihm dasselbe wieder zu geben, so dass – sollte unser Flugzeug wider Erwarten ins Meer plumpsen oder von irgendwem Gestörten abgeschossen werden – keiner sagen kann: „Schade, waren nett die beiden, außerdem hatten die noch ein Buch von mir.“
Das ganze Unterfangen des Tages – so glaubt und fühlt man – ist ein einziger Wettlauf gegen die Zeit, obwohl der Flug erst um 3:45 Uhr geht – am nächsten Morgen. Und plötzlich sieht man sich am frühen Nachmittag mit frisch geputzten Schuhen auf fertig gepackten Koffern sitzen, immer mal wieder auf die Uhr schauend, wann man denn wohl endlich zum Flughafen fahren könne. Genau da trifft plötzlich ein, worauf ich mich seit Monaten freute: Die Gewissheit, dass man nichts mehr tun kann und damit auch das Gefühl von Langeweile.
So oder so ähnlich verlief mein Tag heute. Doch kurz bevor ich für die Abreise in den Sprinter-Tiefstart ging, entschloss ich mich, noch schnell in unser Städtchen zu gehen, um in der dortigen Buchhandlung Reiselektüre einzukaufen: Urlaubszeit – Lesezeit. Ich also ins Dorf und hinein in das Geschäft der tausenden Bücher. Dort habe ich eine gefühlte Ewigkeit verbracht, meterweise Klappentexte gelesen und miteinander verglichen, Preise und das Gewicht des Buches abgewägt, stets auf der Suche nach dem Schmöker, der mich die nächsten 10 Tage unterhalten sollte. Die Ewigkeit der Suche war so ewiglich, dass mir auch darüber schon langweilig wurde. Letzterdings zog ich ab. Ohne Buch. Es standen ja eigentlich genügend zur Auswahl, aber perfekt für mich und meinen Urlaub war keines davon. Zu viel Liebe, zu viel Schmerz, zu viel Blut, zu viel Politik, zu viel Klamauk, zu viel Lebensrat, zu viel von allem.
Gut, ich habe dann jetzt eher zu wenig von alledem, denn ich kehrte mit einer einzigen Auto-Zeitschrift heim. Die werde ich mir dann wohl ein wenig einteilen, über den Urlaub.
Ich beginne mich vor dem „L-Wort“ zu fürchten…