Telefonmelancholie
Es sind die Begegnungen mit der Vergangenheit, die mich bisweilen zu Freudentränen rühren. Heute stupste mich eine Telefon-Vorwahl zurück in die Vergangenheit. Aufgrund eines Provider-Problems musste ich anhand einer Vorwahl einen anderen auswählen. Ihr erinnert Euch?
Es war 1996, als das Telekom-Monopol auf die Telefonie fiel. Fortan konnten wir durch eine Vorwahl den Anbieter auswählen, über den wir das bevorstehende Gespräch führen und abrechnen wollten. Und das taten wir auch. Neben unseren Telefonen – damals meist noch mit einem Kabel in der Wand befestigt – hingen Zeitungsausschnitte, die mit „Mehr muss telefonieren nicht kosten“ überschrieben waren.
Spannender noch als das Telefonieren selbst waren unsere Telefonrechnungen, die plötzlich ebenso zahlreiche wie exotische Anbieter auflisteten. Das alles las sich, wie eine Preview auf das noch bevorstehende Platzen der Dot-Com-Blase. Schöne alte Welt.
Aber ich möchte nicht missverstanden werden. Ich bin ein Mensch, der im Hier und Jetzt lebt und der Vergangenheit – wenn überhaupt – äußerst pragmatisch nachhängt. Beim Telefonieren jedoch kann ich fast sentimental werden; spätestens dann, wenn ich an die vielen Stunden denke, während derer wir rauchend auf klappbaren Telefonbüchern hockten und für ganze 20 Pfennig (die man ja immer im Sichtfenster des Münzfernsprechers sehen konnte) einen ganzen Abend die irgendwann von innen völlig beschlagene Telefonzelle am Ende der Straße mit unserer jeweils aktuellen Lieber flirtend belegten. Das, ja das waren noch Zeiten…
Es sind die Begegnungen mit der Vergangenheit… Freudentränen und Bandwurmsätze. Schön.