„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche“ dichtete einst Johann Wolfgang von Goethe. Und das trifft nicht nur auf die von ihm zitierten Wasserläufe zu, sondern auf die gesamte Natur um uns herum. Selbst auf den Friedhöfen erwacht die Natur – so merkwürdig dies auch klingen mag – wieder zu Leben. Davon konnte ich mich heute bei meinem Inspektionsgang an den Gräbern der Familie und von Freunden überzeugen.
Und auch das mag angesichts der Tatsache, dass man dies an einem Ort wie einem Friedhof erlebt geradezu grotesk erscheinen: Es tut gut aus der Hektik des Alltags zu entschwinden und in die Ruhe eines Friedhofes einzutauchen.
Als ich am Friedhof unserer Stadt ankomme, schlendert mir ein Paar Gedanken verloren entgegen, während ich – den Schwung des Tages in mir – zügigen Schrittes meiner Wege gehe. Erst als ich beginne an den Gräbern inne zu halten merke ich, wie auch in mir Ruhe aufkommt: Ruhe, die Besinnung und Erinnerung mit sich bringt.
Unvermittelt kommt mir ein Bild in den Sinn, das ich vor vielen Jahren gesehen habe: Vor meinem inneren Auge schaue ich in den Außenspiegel meines Mietwagens, in dem ich die Wüste Utahs durchquere. Im Spiegel sehe ich was hinter mir. Und ich sehe auf dem Spiegelglas die in den USA gesetzlich vorgeschriebene Beschriftung „Objects in the mirror are closer than they may appear.“
Als ich den Friedhof auf dem Weg zurück zu meinem Auto durchquere bekommt dieses Bild eine völlig neue, klare Bedeutung.
Und plötzlich schlendere auch ich…