Vergiftete Milch stellt derzeit ein nicht zu überschauendes Risiko für Säuglinge und Kleinkinder in China dar. Innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden der Verunreinigungen wurden allein in Peking mehr als 12.000 Kleinkinder auf Vergiftungssymptome untersucht. In ganz China waren es annährend 40.000. In 104 Fällen wiesen die Kinder ernste Anzeichen auf, weitere 1.579 Fälle konnten nach ambulanter Behandlung die Krankenhäuser wieder verlassen.
Gestern hat nun Chinas Premierminister Wen Jiabao Krankenhäuser besucht, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Das allein ist zwar eine Tragödie von imensem Ausmaß, scheint aber zu den Unglaublichkeiten zu gehören, die jederzeit um uns herum geschehen können.
Bemerkenswert allerdings – und es scheint trotz aller propagandistischen Motivation ein ernsthafter Versuch eines Schuldeingeständnisses zu sein – ist, dass Wen sich wie in deraktuellen Ausgabe der Shanghai Daily veröffentlicht äußert:
„This incident made me feel sad, though many Chinese have been understanding. It disclosed many problems in government and company supervision of the milk sources, quality and marketing administration.“
Insbesondere für chinesische Offizielle ist dies eine nie da gewesene Offenheit im Umgang mit einer Krise; zwang man doch vor wenigen Monaten noch den Spielzeuggiganten Matell in der „Bleiaffäre“ in ein desaströses „Mea Culpa“ und damit in die Knie. Ob diese Offenheit durch die prekäre Situation allein begründet ist – wie lange wurden Vorfälle dieser Art einfach durch das Regime totgeschwiegen – oder ob es ein aktiver Schritt in Richtung einer journalistischen Liberalität ist, vermag ich nicht zu sagen.
Klar ist allerdings, dass dies – insbesondere unter Wertung der historischen Vergangenheit des Regimes – ein beispielloses Statement ist, das uns alle in jeder Hinsicht zu Offenheit und Aufrichtigkeit im Umgang mit unseren Mitmenschen auffordert. Was bleibt denn, wenn das Vertrauen fehlt?