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Veröffentlicht: 11 Jahren her

Gib‘ Gas

Von rammenden Panzern, fliegenden Briefkästen und renitenten Senioren

Drei Auto-Geschichten – alle heute passiert – zeigen, wie automobile Leidenschaft Leiden schafft. Völlig sinnlos, überdies.

Der erste Fahrer hätte mich und mein Auto – wäre er nicht mit einem Golf sondern mit einem Leopard-Panzer unterwegs gewesen – einfach überrollt, als er auf den Parkplatz am städtischen Friedhof einflog. Der indes war völlig leer. Außer mir war dort niemand. Der vermeintliche Panzerfahrer hatte es aber genau auf den Parkplatz abgesehen, aus dem ich gerade ausparkte. Und anstatt mich dort zunächst heraus zu lassen versuchte er schlechterdings mich aus der Lücke zu rammen. Er verfehlt mich nur knapp, was ein Vorteil für mich war. Den Blick, den er mir dabei zuwarf – als ob die knapp vermiedene Katastrophe meine Schuld gewesen sei – war eher nachteilig, für ihn. Erschreckt aber unversehrt-lebend setzte ich meine Fahrt fort.

Auf dem Supermarkt-Parkplatz schnitt mir dann eine eilige Dame mittleren Alters in einem fliegenden, koreanischen Briefkasten den Weg ab. Während ich – wieder einmal – sorgfältig rückwärts aus meiner Parklücke heraus setzte, kreuzte sie die Fahrstrecke hinter mir mit hoher Geschwindigkeit, und zwar so eng an meinem Heck vorbei, dass die Rückfahrsensoren schrill Gefahr anzeigten. Zwischen den beiden Tönen des rechten und des linken Piepsers lagen weniger als 1/10 Sekunde. Umgerechnet ergibt das für den roten Briefkasten eine Reisegeschwindigkeit von etwa 400 km/h. Das alles hatte ihr aber wenig genutzt: Ich sah noch, wie sie – verbotenerweise – links vom Parkplatz abbog, während ich rechts herum meine Fahrt fortsetzte. An der nächsten Kreuzung stand ich vor ihr. So viel dazu.

Der dritte Vorfall: Ich hatte meinen Wagen in einer Sackgasse des Stadtzentrums abgestellt, um noch einige Besorgungen zu machen. Als ich zu meinem Wagen zurückkehrte, überquerte ich diese Sackgasse, um auf den gegenüberliegenden Bürgersteig zu gelangen. Während ich über die Straße ging, näherte sich plötzlich von hinten recht zügig ein Wagen und zwang mich, die Fahrbahn eiligst im Laufschritt zu verlassen. Der ältere Herr hätte mich sicherlich nicht überfahren, aber – ob seiner Entschlossenheit – zog ich die Flucht nach vorn vor. Wer weiß, ob er mich überhaupt wahrgenommen hatte…? Ich jedenfalls nahm ihn wahr, als er später, nachdem er seinen Wagen geparkt hatte und ich wiederum auf dem Weg aus der Sackgasse war, am Straßenrand stand. Er wollte auf die andere Straßenseite, sah mich kommen und wartete. Ich hielt neben ihm an der Kreuzung an, schaute sorgfältig, ob ich gefahrlos in die nächste Straße einbiegen konnte, schaute noch einmal, ob wirklich alles frei war, stellte dann fest, dass es begonnen hatte zu regnen und beschloss darauf hin, noch einmal gründlich zu prüfen, ob ich wirklich fahren können sollte. Während dessen zog der Herr seine Mütze tiefer ins Gesicht und vergrub sich zunehmend in seinem Mantel. ‚Im Regen warten ist noch blöder, als im Trockenen sprinten zu müssen‘ dachte ich mir feixend.

All‘ diese Vorfälle sind sicherlich einer Tatsache geschuldet: So kurz vor Weihnachten haben wir alle keine Zeit mehr. Keine Zeit auf eine freie Parklücke zu warten oder anderen den Vortritt zu lassen. Den älteren Herren habe ich übrigens schließlich noch über die Straße gewunken, wofür er sich lächelnd mit einem kurzen Gruß bei mir bedankte. Geht doch, dachte ich. Frohe Weihnachten!

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