Eine Frage besonderer Bedeutung hat meinen Freund Karl heute beschäftigt:
Wer ist der bessere Denker: Der, der Ordnung hält und die Dinge um sich herum ordnet, oder der, der im von ihm beherrschten Chaos lebt?
Mein Freund Karl ist der Meinung, dass das Halten von Ordnung das Denkvermögen entlastet, weil Dinge ihre festen Plätze, Prozesse fest definierte Abläufe und sich wiederholende Vorgehensweisen Methode hätten. Das alles würde dazu führen, dass keine Kapazität raubenden „Temp-Dateien“ im Kopf vorgehalten werden müssten, die beispielsweise Informationen über den aktuellen Aufbewahrungsort eines Schraubendrehers speichern müssten. Er jedenfalls bevorzuge seinen Kopf nicht mit Daten dieser Art beschäftigen zu müssen.
Und sogar seine bessere Hälfte habe sich seinen Ordnungssinn bereits zu Nutze gemacht und erfreue sich wiederholt an der Tatsache, dass sie von ihr benötigte Dinge, z.B. einen Schraubendreher, immer an der gleiche Stelle vorfinde. Da sie aber nicht diesen bedingungslosen Ordnungssinn mit ihm teile, tauchten seine Schraubendreher bisweilen an den skurilsten Orten wieder auf.
‚Das genau ist das Problem‘ fügte ich hinzu, nicht ohne verwundert festzustellen, dass mein Freund Karl auch dafür eine Lösung parat hatte: Immer dann, wenn er – um bei dem Beispiel zu bleiben – einen seiner Schraubendreher an einem dafür nicht vorgesehenen Ort wiederfinde, frage er seine Frau, ob sie einen neuen Schraubendreher gekauft habe. Worauf sie in der Regel verneinend antworte, dass es sich dabei um seinen Schraubendreher handele, den sie sich ausgeborgt habe.
Womit der Grund für das Abhandenkommen und die – oft bestrittene – Ursache dafür geklärt wären, sagt mein Freund Karl.
Ob Ordnung liebende Menschen, wie mein Freund Karl, nun die besseren oder schlechteren Denker seien, konnten wir trotz der anschaulichen Beispiele nicht klären. Klar ist aber, dass derjenige, der sich im Ordnungsprinzip wohlfühlt, genügend Denkkapazitäten dafür bereit hält, seine Prinzipien subtilst zu vermitteln. Dümmer sind sie wahrlich nicht.